Philosophie

Rudeldenken

Welche Denkweise steckt hinter der Rudel­werkstatt?

Welche Bedürfnisse hat mein Hund eigentlich?

Wir Menschen gehen einer Arbeit nach, die uns erfüllt, kochen uns beliebiges Essen und wann wir es möchten, verabreden uns mit Freunden, wenn uns danach ist und verfolgen Hobbys, in denen wir besonders talentiert sind, oder für die unser Herz brennt.

Diese Selbstwirksamkeit erfüllt uns mit einem glücklichen und zufriedenen Gefühl. Machen wir eine Lebensphase durch, die diese Grundbedürfnisse nicht erfüllt, sind wir frustriert, verunsichert oder auch wütend. Doch wie stellt sich ein Hund seine Lebensgestaltung vor?

Eine artgerechte und beziehungsorientierte Hundeerziehung basiert darauf, zu erfragen, was mein Hund von mir und unserem Zusammenleben erwartet und nicht nur, was ich von meinem Hund erwarte.

Rudelzu­gehörigkeit

Der Hund ist ein sozial lebender Beutegreifer,

der 1. seine Grundbedürfnisse befriedigen möchte,

sich 2. nach einer festen Rolle in seinem Rudelverband sehnt und

3. gemeinsame Zielsetzungen mit seinen Rudelmitgliedern verfolgen möchte.

Das ist die Basis für eine Beziehung, die auf Respekt, Verständnis und Vertrauen aufbaut und kann gleichzeitig der Beginn für ein entspanntes Zusammenleben im Alltag sein.

„Hunde bereichern mit ihrer Existenz unser Leben, demnach ist es fair zu ergründen, wie wir das Leben des Hundes bereichern können.“
– JAN NIJBOER –

1. Grundbe­dürfnisse verstehen und beachten – die 4 Instinkte des Hundes

Hunde sind sozial lebende Beutegreifer, denen für ihr Überleben und die Bedürfnisbefriedigung bestimmte Instinkte zur Verfügung stehen. Instinkte sind genetisch verankerte, also angeborene Verhaltensformen, die erfahrungsbedingt weiterentwickelt (oder auch von einem Sozialpartner modifiziert) werden können.

Die 4 Instinkte – sozialer Rudelinstinkt, Sexualinstinkt, Jagdinstinkt und Territorialinstinkt – sind je nach Rassetypus oder Veranlagung des Hundes unterschiedlich ausgeprägt und greifen ineinander. Der Mensch hat bei der Spezialisierung (Zucht) der jeweiligen Hunderassen und deren unterschiedlichen Aufgaben die Instinktveranlagung des Hundes bewusst verschoben bzw. an- oder abgezüchtet.

„Alles was gegen die Natur ist, hat auf die Dauer keinen Bestand.“
– CHARLES DARWIN –

Rudelbe­dürfnisse

1. Der soziale Rudelinstinkt ...

… steigert die eigene Überlebenswahrscheinlichkeit und dient somit der Sicherheit. Dieser Instinkt ist das Bindeglied zwischen den einzelnen Instinkten. Er ermöglicht sowohl Tiere als auch Menschen einzuschätzen, miteinander zu kommunizieren und sich selbst im Sozialgefüge einzuordnen. Der soziale Rudelinstinkt wird von den Begriffen Vertrauen, Geborgenheit und Verlässlichkeit geprägt.

2. Der Sexualinstinkt ...

… dient der Fortpflanzung. Das höchste Ziel eines jeden Lebewesens ist die Reproduktion, sprich seine Gene an potenziellen Nachwuchs weiterzugeben. Durch den sehr engen Raum, den sich unsere Hunde heutzutage kulturbedingt teilen müssen, sind unsere Hunde sehr viel häufiger als wir glauben, sexuell gereizt – in der Regel ohne ihre Sexualität jemals ausleben zu dürfen.

3. Der Jagdinstinkt ...

… dient der Nahrungsbeschaffung und sichert das Überleben. Auch unser Hund geht nicht ohne ein bestimmtes Ziel vor Augen vor die Tür. Das Ziel lautet unter anderem: Nahrungserwerb, was zu einer Jagd führen kann.

4. Der Territorialinstinkt ...

… dient dem Sicherheitsbedürfnis und schafft Abgrenzung von Konkurrenten oder des eigenen Territoriums. Damit die eben angesprochene Sexualität und die Jagd ausgeführt werden können, benötigt der Hund ein eigenes Territorium. Durch beispielweise das unerwünschte Anspringen von Menschen, das Bellen an der Tür, das Ziehen an der Leine möchte der Hund unter anderem sein eigenes Revier verteidigen.

2. das Streben nach einer Rolle im Rudel­verband

Wenn du als Mensch die oben angesprochenen Grundbedürfnisse deines Hundes verstehen lernst, entsteht automatisch mehr Akzeptanz, Verständnis und Respekt für deinen Hund.

Diese Betrachtungsweise ebnet den Weg, einen Rudelpartner für deinen Hund darzustellen, der ihm ein Gefühl von Verlässlichkeit und Sicherheit bietet. Damit liegt beispielsweise die territoriale Verantwortung nicht mehr bei deinem Hund, sondern bei dir.

Rudel­beziehung

Eine gefestigte Beziehung bewirkt, dass dein Hund nun den Kopf frei hat, sich mit dir gemeinsam auf eine spannende Aufgabe, beispielweise eine Ersatzjagd, einzulassen.

Eure Verbundenheit ist sinnvoll für deinen Hund, sodass er sich gerne an dir orientieren und dir freiwillig folgen wird. Er hat seinen Platz in eurem Rudel gefunden und kann sich entspannen.

„Hat ein Tier die Wahl zwischen frei verfügbarer Nahrung und gleichwertiger Nahrung, an welche es mithilfe von Nahrungserwerbsverhalten herankommen muss, bevorzugt es die zweite Option.“
– STEVE OSBORNE –

3. Sinnvolle und gemeinsame Aktivitäten als Rudel verfolgen

Durch eine gemeinschaftliche Ersatzjagd signalisierst du deinem Hund, dass du seine Bedürfnisse erkannt hast, eine artgerechte und sinnvolle Beschäftigung kreierst und damit zu einem wichtigen Bezugspunkt für deinen Hund wirst. Wer für den Hund sinnvoll ist, dem schließt er sich freiwillig und gerne an und z. B. ein Antijagdtraining verliert an Notwendigkeit.

Rudelbe­schäftigungen

Nahrung sichert Überleben. Ungeachtet ihrer Rasse würden Junghunde in der Natur das natürliche Nahrungserwerbsverhalten durch Beobachten und Nachahmen ihrer Elterntiere erlernen.

Diese Tatsache bietet dir im Zusammenleben mit deinem Hund die Chance, ihm eine Beschäftigung anzubieten, die wirklich in seinem Interesse liegt – weil er sie als sehr sinnvoll erachtet.

Es wird eine Ersatzbeute (Futterbeutel) kreiert, die nichts mit unserem natürlichen Wild gemeinsam hat.

Warum der Begriff „Rudel“?

Wenn man sich die Definition des Wortes „Rudel“ anschaut, dann besagt sie:

Als ein Rudel bezeichnet man eine geschlossene und individualisierte Gruppe von Säugetieren. Ein Rudel ist eine geschlossene Gruppe deshalb, weil die Mitglieder nicht beliebig austauschbar sind und eine individualisierte Gruppe deshalb, weil sich die Mitglieder untereinander sehr gut kennen. Innerhalb eines Rudels herrscht oft eine Art Rangordnung und eine gewisse „Arbeitsteilung“.

Meiner Meinung nach ist das Zusammenleben von Mensch & Hund(en) durchaus als „Rudel“ zu bezeichnen:

Nur wenn man mit seinem Hund eine innige Beziehung – nicht eine Geschäftsbeziehung, die auf einem Belohnungssystem mit Leckerlie-Gabe basiert – zum Ziel hat, ist bei diesem Zusammenleben weder Hund noch Mensch austauschbar. Und erst wenn man die Bedürfnisse des Hundes erkannt hat, kennt man seinen vierbeinigen Wegbegleiter wirklich. Auf der Basis dieser Erkenntnisse wird sich eine „Rangordnung“ etablieren, bei welcher der Mensch für die Sicherheit zuständig ist. Außerdem wird sich eine Arbeitsteilung ergeben, denn der Hund bekommt eine für ihn sinnvolle Aufgabe geboten.